Kinder und Wasser: Vergnügen und Gefahr zugleich
Kinder und Wasser: Vergnügen und Gefahr zugleich
Jetzt im Sommer sind wir wieder viel draussen und freuen uns an heissen Tagen über die wohltuende Abkühlung im oder am Wasser. Kinder lieben das glitzernde, plätschernde, prickelnde Element. Doch das ist bei kleinen Kindern Faszination und Gefahr zugleich. Ertrinken gehört bei kleinen Kindern immer noch zu eine der häufigsten unfallbedingten Todesursachen. nnWie schnell das gehen kann und wie lautlos und fast bewegungslos Kinder ertrinken, musste auch Nadja beim Urlaub am Strand mit ihrer dreijährigen Tochter feststellen. In ihrem Erfahrungsbericht beschreibt sie diesen unschönen Zwischenfall, den sie ihr Leben lang nicht mehr vergessen wird.
Was suchst Du?
Wir verbrachten einen wunderschönen Strandurlaub. Die Kinder spielten von morgens bis abends am Strand, bauten Sandburgen, suchten Muscheln und tollten umher. Und natürlich badeten wir auch.
Ich achtete eigentlich akribisch darauf, dass meine Tochter immer nur mit Schwimmflügel ins Wasser ging und erinnerte sie auch immer wieder daran, dass sie nie allein, ohne Begleitung von einem Erwachsenen, ins Wasser gehen darf. Ertrinken ist für mich eine Horrorvorstellung. Und dann passierte es mir eben doch – fast.
Zum Glück sind wir mit einem grossen Schrecken davon gekommen. Das will ich gleich vorweg nehmen. Ich werde hier von keinem Todesfall oder Unfall mit schwerwiegenden Folgen berichten. Aber ich bin wirklich so dermassen erschrocken, dass ich es allen Eltern ans Herz legen will, ihr Kind keine Sekunde aus den Augen zu lassen, wenn es sich am Wasser aufhält.
Es passiert immer dann, wenn man nicht damit rechnet
Aber genau das ist wohl der Fehler.
Meine Tochter spielte mit ihrer Freundin im Sand am Strand. Die beiden Mädchen waren total vertieft ins Sandburgen bauen. Als mich der grosse Sohn meiner Freundin neckte Fangen zu spielen, liess ich mich darauf ein und wir tollten im kniehohen teils hüfthohen Wasser am Strand herum. Das ging so eine Weile. Wir hatten viel Spass. Und ich liess meine Tochter für ein paar Minuten aus den Augen, mit dem sicheren Gefühl, sie sei mit ihrer Sandburg beschäftigt.
Doch dann plötzlich, sehe ich wie meine Tochter zwischen mir und ihrer Sandburg im sich leicht von Wellen hin und her bewegenden Wasser steht. Das Wasser reicht ihr bis kurz über die Nase. Wir waren nur ca. 2 Meter voneinander entfernt und trotzdem einem Unglück so nah. Sie hatte aufgehört Sandburgen zu bauen und wollte zu mir ins Wasser kommen, ohne dass ich es bemerkt hatte. Ich stürzte zu ihr, riss sie hoch und rannte an Land. Wie lange stand sie wohl schon so mit Mund und Nase mehr oder weniger unter Wasser, schoss mir durch den Kopf. Zum Glück atmete sie gleich wieder, spuckte kein Wasser und machte auch sonst keine Anzeichen des Ertrinkens. Aber genau sagen, ob sie viel Wasser geschluckt hatte oder lange keine Luft bekommen hatte, konnte ich nicht.
In der Nacht machte ich fast kein Auge zu, stellte mir immer wieder den Wecker, um nach ihr zu sehen. Denn das Phänomen des sekundären Ertrinkens, dass Kinder also auch noch nachträglich ertrinken können, machte mir Sorgen. Zeigt ein Kind innerhalb von 24 Stunden nach einem Badeausflug bzw. Vorfall Symptome wie Fieber, Husten, blaue Lippen oder eine flache Atmung, kann das ein Zeichen dafür sein, dass es Wasser in der Lunge hat und dringend ärztliche Hilfe benötigt. Bereits 2 Milliliter Wasser pro Körpergewicht sind lebensbedrohlich [1]. Ich wollte nicht nochmal irgendetwas übersehen.
Kinder ertrinken anders als Erwachsene
Zum Glück gingen die 24 Stunden ohne irgendwelche Anzeichen vorüber.
Aber ich werde diesen Zwischenfall nie mehr vergessen und gehe seitdem sensibler mit dem Thema um. Kinder ertrinken tatsächlich anders als wir denken. Sie schlagen nicht wild um sich und rufen um Hilfe. Es geschieht lautlos, manchmal auch fast ohne Bewegung. Meine Tochter stand da einfach regungslos im Wasser als würde sie gar nicht realisieren was da gerade passiert und schien überhaupt nicht darauf zu reagieren.
Kinder können tatsächlich in Not nicht nach Hilfe rufen, denn ihre Stimmritzen verschliessen sich. Und sie reagieren auf eine Ertrinkungssituation mit Erstarren. Sobald das Gesicht kaltes Wasser berührt, wird der Atem reflexartig angehalten (Eintauchreflex). Gelangt das Kind nicht schnell genug wieder an die Oberfläche, kommt es zu einem Blutdruckabfall und zu einer Verlangsamung des Herzschlages. Irgendwann kann die Luft nicht mehr angehalten werden und es kommt zur spontanen Atmung. Wasser wird eingeatmet und gelangt so in die Lunge. Das Kind bekommt Krampfanfälle und wird bewusstlos. Schliesslich hört das Herz auf zu schlagen [2].
Welche Lehren ich daraus ziehe
Es kann so unglaublich schnell passieren und vor allem wenn man es nicht erwartet. Deshalb sollte man Kinder in Wassernähe niemals aus den Augen lassen und ununterbrochen beaufsichtigen.
Wenn man mit mehreren Personen unterwegs ist, sollte immer einer benannt werden, der nach dem Kind schaut. Besonders wenn mehrere Erwachsene da sind, haben alle das Gefühl der andere schaut schon und letztlich passt keiner richtig auf. Ablenkende Situation (Handy) sind ebenfalls zu vermeiden. Sind wir also im Gespräch oder am Handy, holt man das Kind lieber vorher aus dem Wasser. Es kann auch durchaus Sinn machen, Schwimmhilfen wie Sicherheitsweste oder Flügeli permanent anzulassen, auch wenn die Kinder nur neben dem Wasser spielen.
Wichtig nach diesem Erlebnis war mir auch, dass meine Tochter so schnell wie möglich schwimmen lernt. Nur dann ist man schliesslich halbwegs sicher vor dem Ertrinken. Das hat sie dann mit vier Jahren auch schon sehr gut geschafft. Man muss aber dran bleiben und immer wieder üben, sonst verlernen es Kinder bis zum nächsten Sommer auch schnell wieder.
Dennoch müssen Kinder am und im Wasser beaufsichtigt werden. Auch heute wo sie recht gut schwimmen kann, bleibt bei uns die Regel, ohne einen Erwachsenen der zumindest in unmittelbarer Nähe ist, darf sie nicht alleine ins Wasser.
Quellen: